Sonntag, 18. Juni 2017

Velothon 2017- auf 180 Kilometern grandios scheitern

Prolog: 
Irgendwann in 2016 melde ich mich für die neue 180er Strecke an, schließlich habe ich die 60er und die 120er Strecke ja vor einigen Jahren schon absolviert. Nehme den Frühbucherrabatt mit und melde mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 32 km/h.

So richtig klar ist mir nicht, auf welchem Rad ich sitzen werde. Ein reinrassiges Rennrad ist in Arbeit, aber sowohl der Rahmenbauer und der Pulverbetrieb stapeln tief, liefern dann doch schneller. Am Mittwoch vor dem Veranstaltungswochenende habe ich den Rahmen wieder im Keller. Es folgen zwei lange Abende und ein teuerer Ausflug zu Zweirad-Stadler, wer 11-fach fahren will, braucht kein Hinterrad mit einem Freilauf für ein 10er-Ritzel. Bei Stadler herrscht dann auch noch mehr Chaos als in meinem Radkeller. Zu Laufradsätzen sind nur die Vorderräder zu finden, das ändert sich auch mit Personalhilfe nicht. Also fische ich ein einzelnes Mavic-Aksium-Hinterrad aus dem Regal und kann damit auch das 11er-Ritzel montieren. Zudem wird eine 1x11 SRAM-Rival-Gruppe ans Rad kommen, ist für mich blöderweise das erste Mal, daß ich so eine Gruppe verbaue und fahre. Geht dann aber dank diverser YouTube-Videos doch sehr gut.

Am Freitag ist das KONA HonkyTonk fertig, am Sonnabend vorher kurbele ich irgendwie 30 Kilometer zusammen, um mich ans Rad und die SRAM-Schaltlogik zu gewöhnen.
Ein paar Tage vorher schreibt mich Janek an und weist dezent auf die geforderte Durchschnittsgeschwindigkeit hin: 35 km/h. Die werde ich keinesfalls schaffen, das verschafft mir in den Tage vorher doch ein paar nachdenkliche Momente. 


Velothon-Tag:

Um 4:30 Uhr aus dem Bett fallen und keinen Bissen runter kriegen, so ist mein Start. Um kurz nach 05:00 treffen sich die Altlandsberger zur gemeinsamen Anreise bis zur U-Bahn in Hönow, ich bin mit meiner Strecke der Außenseiter. Alle anderen wollen die 60 Kilometer-Runde fahren und zum Mittag wieder zu Hause sein, der Start der 60er erfolgt nur zwanzig Minuten nach dem Start der 180er-Fahrern.

Radsammlung in der U5

Startblock C, direkt am Potsdamer Platz, die kleine Tasche bunkert die Riegel
Tja, dan gehts auch schon los, ich finde einen Zug von Engländern, die mich zwar mitziehen, aber ich nicht im Wind arbeiten darf. Smalltalk geht und so fliegen die Kilometer nur so durch. Das Tempo passt noch, eigentlich immer irgendwie über 35 km/h.
Bei Kilometer 50 verliere ich eine meiner beiden Trinkflaschen. "Das wird ja blöd" denke ich noch. Windschattenfahren klappt gut bis Kilometer 80, dann bin ich auch trocken. In Brandenburg hat jemand den Fön angestellt, warmer und trockener Westwind. Keine Tankstelle weit und breit. Ich versuche durch die Nase zu atmen, aber das klappt nicht lange. Staubig und rauh fühlt es sich in meinem Mund an. Endlich in Ludwigsfelde gibt es eine Tankstelle, irgendwo bei Kilometer 120. Ne richtige Cola und ein Wasser nehme ich für vier Euro mit, das habe ich echt nötig. Drei Kilometer weiter kommt die nächste Versorgungsstation, da ist die Cola schon alle und das Wasser nur noch halbvoll. Trinke viel, esse ne Kleinigkeit, bunkere Wasser und es geht weiter.


Bei Kilometer 136 werde ich vom Besenwagen angesprochen. Ganz freundlich, bin aus dem Zeitlimit und damit aus der Wertung, darf aber weiter fahren. Soll den schnellen 120er-Fahrern dann bei Bedarf auch Platz machen.
der freundliche Besenwagen
Fahre auch weiter, was soll ich in Ludwigsfelde? Habe die 180 Kilometer gebucht und für mich als Ziel gestellt, dann halt ohne Wertung. Die war für mich auch bei den anderen Teilnahmen eher eine Randnotiz.

Auf der B101 (autobahnähnlicher Ausbau) kommt´s noch dicker: Erst Muckern meine Beine, bin ein paar Mal kurz vorm Muskelkrampf, wahrscheinlich Nachwirkungen der langen Durststrecke. Und: die linke Kurbel lockert sich, liegt dann auch irgendwann auf dem Asphalt. Mein Multitool hat keinen 8mm-Inbus-Schlüssel dafür... Zum Glück bekomme ich von einem anderen Fahrer Hilfe, der sichert mir mit seinem Tool die Weiterfahrt. Keine Ahnung, was ich sonst gemacht hätte. Die Beine beruhigen sich langsam wieder ich kann weiterkurbeln.

Kurbel lose...

Auf dem Flugfeld Tempelhof kommt das erste 120er Feld angerauscht. Da wird mir dann auch deutlich, wie viel rücksichtsvoller und entspannter es im 180er Feld zu ging. Im 120er Feld wird regelrecht gekämpft, gebolzt, gedrängelt, usw. Ich lasse die passieren, da habe ich keine Lust drauf. Etwa in Höhe der Stelle wo ich in Kreuzberg die eigene Flasche verloren habe, wird mir vom Rand eine Mineralwasserflasche gereicht. Bin schon wieder trocken...

Genieße den Rest der Strecke, lasse noch zwei andere 120er Felder passieren und freue mich dann im Ziel auf das alkoholfreie Bier. Der Schnitt ist lt. STRAVA fast eine Punktlandung: 31,8 km/h.
Neben dem Zelt für die Beutelaufbewahrung befand sich der hervorragend ausgestattete Dusch-Truck von HansGrohe, ich genieße das Duschen sehr. Staub und Schweiß der Strecke kommen runter, frische Sachen aus dem Rucksack und dann gehts an den Heimweg. Wieder kombiniert mit U-Bahn und Rad. In der U-Bahn fällt mir dann auch auf, dass die Finisher-Medailie verschwunden ist, die hatte ich beim Duschen übers Rad gehangen. Passt dann auch irgendwie in den Tag ;-)

Trotz aller Missgeschicke: ich habe den Tag auf dem Rad sehr genossen, hatte Spaß auf der Strecke und mit den anderen Mitfahrern, freue mich über die absolvierten 180 Kilometer, wurde freundlich vom Besenwagen aus der Wertung genommen und kann mir für 2018 andere Ziele suchen. Die SRAM-Schaltung hat gute Dienste geleistet, das KONA ist mein erstes Rad ohne Shimano-Teile.


Sonntag, 11. Juni 2017

Zum Radladen - in schön!

Eigentlich wollte ich am Sonnabend Vormittag nur zum Radladen, aber man muß ja nicht die direkte Route nehmen. Also ging es über einige Waldrouten, Wanderwege und mit möglichst viel Abstand zu Autostraßen in Richtung Strausberg. Im Radladen gab es dann eine neue Klingel, ein Merino-Trikot und einen Schlauch für das Rad der Tochter. Und auf dem Rückweg noch ´ne Dorne im Compass-Reifen mit einem schleichenden Plattfuß. Alle fünf Kilometer Nachpumpen, geflickt habe ich dann in aller Ruhe zu Hause.

Richtung Strausberg

Am Straussee

Kurz vorm Gamengrund, der wurde nur gequert

Mohnblumen bei Buchholz

Freitag, 2. Juni 2017

durch die Mecklenburger Nacht

1000 Kilometer und davon ein paar längere Stücke, das soll man lt. Webseite zur Mecklenburger Seenrunde vor dem Start gefahren sein, um die 300 Kilometer gut zu überstehen. Das hatte ich so gerade erfüllt... 1500 Kilometer waren es vor dem Start hier in Neubrandenburg. Mir war klar, es würde weh tun. Egal ob Hintern, Beine oder Nacken oder.... es würde weh tun....

Hatte mich bewußt für die Nachtfahrt entschieden, ein Start irgendwann nach 20:00 Uhr. Lt. Ausschreibung sollen die Räder ja alle Licht haben, ich rechnete also mit einem kurzen Check. War nicht der Fall. Ich rechnete auch mit einer Startblock"Kontrolle" ähnlich wie beim Velothon in Berlin, war auch nicht der Fall. Andere waren unruhiger, ich bin 10 Minuten später auf den Kurs gekommen, als eigentlich vorgesehen, aber hey.

Unter Polizeibegleitung ging es bis zur Stadtgrenze, irgendwie fand ich mich bei einer Truppe wieder, die von einem Eggesiner Handwerker gesponsert wurde. Die machten viel Druck, lösten sich vorne im Wind ab, ließen andere nicht mitarbeiten und tolerierten doch die drei Windschattenlutscher, wie mich. Die Signale in der Gruppe klappten und so ging es zügig in den Abend, das erste Depot war schon vorbei. Mir war klar, daß ich diesen Zug irgendwann verlassen muß, ich würde das Tempo nicht halten können. Aber erstmal Strecke machen, der Rest wird dann schon. 
Kurz vor dem Start

In Neustrelitz biege ich ins Depot ab, es gibt leckere Bananenstullen und wieder zwei volle Flaschen Wasser. Danach finde ich eine große Gruppe, gefühlt um die 100 Fahrer. Sehr viel Unruhe im Feld, ständig Postionswechsel, unklare Handzeichen, regelmässige "Wo-ist-Frank?-Rufe" (hat Frank die Kekse für den Rest vom Team?) und viele dieser blinkenden Rücklichter. Das raubt viel Konzentration, nutze die volle Blase, um mal auszuscheren und das Feld ziehen zu lassen. Dann wird auch der Kontrast deutlich, ich kann als Alleinfahrer die Nacht intensiv wahrnehmen: deutlich kühler, hier und da Froschquacken, die verschiedenen Vögel zwitschern, die Grillen sind zu hören. Natürlich auch ein, zwei Gänge langsamer. 

Pause in Neustrelitz, die Fahrradständer sind auf 23mm-Reifen ausgelegt, mein Rad hat 35mm-Reifen

PERFEKTE Ausschilderung, wer sich hier verfährt, der ist eingeschlafen!

Depot in Röbel: Mit Licht, großem Zelt und engagierten Helfern
Hinter Röbel ziehe ich alles an, was ich dabei habe: eine dünne Laufhose über die Radlerhose, ein Merino-Langarm-Trikot und noch ein Merino-Pullover. In den Senken sammelt sich die kalte Luft und der Nebel, es gibt einen regelmäßigen Wechsel zwischen "warm" und "kalt" unterwegs, aber es fühlt sich nie unangenehm an.


Hafermüslifrühstück kurz vor 04:00 im Feuerwehrdepot
Am Fahrradständer vor dem Depot teilt ein anderer Fahrer an seine Kameraden Schmerztabletten aus, einer von denen fragt: "Das ist Nummer vier, oder?" Ich wähne mich im falschen Film... Die wirklich schnellen Fahrer sind jetzt kurz vorm Ziel und es gibt bei der MSR keine Platzierung, keine Sieger. Ich fahre hier, um meinen eigenen Schweinehund vom Sofa zu schieben und meine eigenen Grenzen zu erfahren, andere werfen sich für nichts die Pillen ein...

Sonnenaufgang in Mecklenburg

Zwischendurch zeichnet sich zweimal deutlich der Umriss eines Chausseehauses an der Straße ab, allerdings ist es für Fotos noch viel zu dunkel. Und so richtig merke ich mir die Standorte auch nicht, bin zum Radeln hier. Der Horizont wird wieder heller, dank meiner Alleinfahrt kann ich das die nächsten zwei Stunden intensiv wahrnehmen. Wundervolle Momente!
Birgit aus Stuttgart macht auch viele Fotos und holt mich dann ein, wir quatschen bis zum nächsten Depot miteinander. Für sie ist diese Gegend ein totaler Kontrast zur Heimat, wenig Leute, kein Verkehr, die Grundstücke viel größer, die Äcker viel größer, "janz viel Jejend"!

Pause gegen 06:00 Uhr in Möllenhagen, Apfelkuchen futtern. Und brauchbare Radständer!

Mein Motto für die letzten 100 Kilometer

nur noch bergab ;-)

Foto von Sportfotograf.com kurz vorm Ziel
Bin dann von den Abendstartern einer der Letzten im Ziel, es gibt kaum Zuschauer und die Stände sind verwaist. Das ist mir komplett egal, ich habe die Tour genossen, bin stolz auf mich und freue mich über die gewonnenen Erfahrungen/Erlebnisse. Dann folgen: Dusche, Bier und Bett!

Randnotizen:
- die MSR ist eine perfekt organisierte Veranstaltung, alle Helfer und Organisatoren sind mit Spaß bei der Sache gewesen, die Ausschilderung ist bis zu den Hinweisschildern für "Falschfahrer" perfekt!
- ein Fahrer ist die Strecke doppelt abgefahren...
- hatte nur Muskelkater hinterher
- per STRAVA Beacon feuern mich meine Mädels und ein Altlandsberger unterwegs an, kurioses Gefühl, passt aber mit Sicherheit nicht für jede Radtour.